INTERVIEW / PR


Interview 2010

TEIL 1: PAST, PRESENT AND FUTURE


Frage: Seit letztem Herbst seid Ihr wieder zu zweit. Werdet Ihr als Duo weitermachen?   -   Antwort: Grundsätzlich sind wir bestrebt, passende Mitmusiker zu finden, besonders einen Bassisten. Aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass Scapegoat auch zu zweit gut funktioniert. Bei all den Wechslen im Line-Up kann man sagen Scapegoat = Christian und Peter + x. Im Moment ist x wieder null. Die beiden Jahre zwischen 2007 bis 2009 waren eine willkommenen Abwechslung und wir konnten wieder live spielen. Wir sind darum bemüht, nachdem wir wieder "auf die Bühne" zurückgekehrt sind, wenn nötig auch zu zweit live zu spielen. Nicht, weil wir unbedingt müssen, sondern, weil es eine große Genugtuung wäre, zu zweit nicht nur produzieren zu können, sondern auch "auftrittsfähig" zu sein. Es kann aber auch sehr gut sein, dass wir in der Zwischenzeit noch personell anwachsen. Dann geht es erst recht wieder live weiter!


F: Ihr habt seit der Bandgründung verschiedene Bandmitglieder gehabt. Welche Rolle spielen die ehemaligen Musiker für Eure Bandgeschichte?   -   A: Jeder hat mehr oder weniger zu dem beigetragen, was nun nach 17 Jahren auf dem Haben-Konto steht. Ob bei Album-Aufnahmen oder live auf der Bühne. Es waren schon gute und engagierte Musiker dabei, die zu ihrer jeweiligen Zeit wertvolle Beiträge zu unserer Musik geliefert haben. Ich denke da an Claus' Keyboards auf "Beggar 4 Love" oder Burki's Gitarrensoli bei "Antagonism" und "Soultiude". Leider waren alle aber nur eine begrenzte Zeit Teil von Scapegoat, so dass keiner nachhaltig unseren Sound und Stil mitprägen konnte.


F: Wie kam es zu den Trennungen?  -  A: Nun, eine Band ist ein labiles Gebilde, da es viele mögliche Reibungspunkte gibt: Der Musikstil, die Probentermine, Konkurrenz mit Freundinnen oder Familien, Zeit, Grundsatz-Differenzen und finanzielle Dinge. Vor allem fiel es dem einen oder anderen schwer, Peters und meine Führungsrolle, die uns als Bandgründer natürlich zusteht, zu akzeptieren. Es gab auch Musiker, die erstmal einstiegen und meinten, sie könnten im Laufe der Zeit "ihr" Ding mit uns durchziehen. Meistens trennte man sich einvernehmlich, es gab aber auch ein paar "härtere" Trennungen. Wir möchten an dieser Stelle deutlich betonen, dass wir nie von uns aus einen Musiker hinauswarfen, auch wenn wir noch so gute Gründe dafür gehabt hätten.


F: Habt Ihr zu den "Ehemaligen" noch Kontakt?  -  A: Im Grunde nur zu ganz wenigen, vor allem Claus, mit dem wir auch später noch zusammen Musik machten. Bei den meisten ging man auseinander und hatte einfach keinen Kontakt mehr, ohne bösen Hintergrund. Wir kannten uns vor Scapegoat nicht und danach ging eben jeder wieder seinen Weg. Es gab aber auch den einen oder anderen, mit dem wir den Kontakt komplett abbrechen wollten, da wir besonders menschlich extrem enttäuscht wurden. Wir waren dann letztlich froh und erleichtert, diesen Menschen nicht mehr sehen zu müssen. Man darf auch nicht vergessen, dass ständige Konflikte auf Dauer der Gesundheit und dem Nervenkostüm schaden. Trotzdem wäre es schön, nach einem gewissen zeitlichen Abstand wieder in Kontakt zu kommen, wenn "die Wunden verheilt sind". Wir malen uns manchmal in sentimentalen Momenten aus, wie es wäre, nach über zehn Jahren diesen oder jenen alten Bandkollegen wieder zu treffen, vielleicht sogar Songs aus unserer gemeinsamen Zeit zu jammen.


F: Wie stehen denn die früheren Scapegoat-Musiker heute zu ihrer Vergangenheit bei Scapegoat, sind sie stolz auf das damals Erreichte?  -  A: Der eine oder andere hat sicher in seiner Entwicklung als Musiker oder Komponist von seiner Scapegoat-Zugehörigkeit profitiert, wie übrigens auch wir von der Erfahrung verschiedener Bandmitglieder profitiert haben. Claus zum Beispiel hat sich später noch mit Songs aus unserer gemeinsamen Schaffensphase weiter beschäftigt und eigene Interpretationen davon aufgenommen. Das freut uns natürlich sehr. Wir gehen davon aus, dass Musiker, die mit uns zusammen kreativ waren und Musik aufgenommen haben, können sicher auf die gemeinsame und persönliche Leistung zurecht stolz sein. Einigen, die nur kurz dabei waren, wird die gemeinsame Zeit wohl relativ egal sein. Ob es jemanden gibt, der von der Scapegoat-Zeit überhaupt nichts mehr wissen will, nun ja, möglicherweise. Das wollen wir einfach mal offen lassen. Aus unserer Perspektive ist jede Phase der Band von Bedeutung und daher "müssen" wir uns mit allen ehemaligen Bandmitgliedern noch identifizieren, da sie nunmal Teil der Scapegoat-Geschichte sind. Dieser Tatsache können wir uns nicht entziehen. 


F: Inwiefern habt Ihr von Bandkollegen profitiert?  -  A: Als Musiker lernt man im Zusammenspiel einiges an Technik von anderen Musikern. Am Anfang lernten wir von Oli das eine oder andere über Recording und Gitarren, Claus und David waren außergewöhnliche Musiker, die uns durch ihr Spiel fasziniert haben. Es gab aber auch Dinge, die mit Technik und Medien zu tun haben, die uns weitergebracht haben. Umgekehrt hatten die meisten aber auch gehörigen Respekt vor Peter als Drummer und vor mir als Gitarrist, besonders aber als Komponist und Textdichter. Das konnte man schon spüren, auch wenn es nicht immer deutlich zum Ausdruck kam.


F: Was würdet Ihr von einem neuen Bandmitglied erwarten?  -  A: Es müssten die grundlegenden Dinge passen: Ihm müsste unsere Musik gefallen und er sollte motiviert sein, einige Scapegoat-Songs zu spielen. Er sollte sein Instrument einigermaßen beherrschen und relativ selbstständig unsere Songs lernen können. Er sollte Ideen in die Band einbringen ohne zu meinen, ab sofort der neue Hauptsongwriter zu sein. Einige unsere musikalischen Einflüsse sollten auch ihm gefallen. Er sollte eigentlich nicht älter als wir sein, etwa zwischen 20 und 40. Er müsste bereit sein, sich einzuordnen und einzubringen. Wer meint, er könne sich als neuer Bandleader aufspielen oder gewisse Bereiche zu revolutionieren, hat bei uns keine Zukunft. Es ist ganz einfach: Wir machen seit 17 Jahren unser Ding mit dem Ziel, möglichst gute Musik zu machen ohne Spinnereien oder utopische Träume. Wer dabei mitmachem möchte, ist uns immer willkommen!


F: Eine Rockband mit zwei Musikern ist aber bei anderen Bands kaum vorstellbar...  -  A: Richtig. Wir wären auch lieber zu viert oder fünft. Aber wir hatten nicht das Glück wie etwa U2, dass sich vier junge Burschen zusammenfanden, die sich dann gemeinsam weiterentwickeln konnten. Es ist schwer, fremde Musiker zu finden, die unseren Musikstil mögen, gut spielen und zu uns menschlich passen, vor allem hier auf dem Land. In den Neunzigern waren wir noch nicht soweit, auf weitere Bandmitglieder verzichten zu können. Aber spätestens 1999 merkten wir, dass wir nicht mehr die Art von  Band zusammenstellen konnten, die wir uns vorstellten. Wären wir eine "normale" Band, hätten wir damals einfach aufgehört...


F: Aber Ihr seid nicht normal?  -  A: Zum Glück! Sonst hätte es unsere beste Musik, die wir ausschließlich zu zweit gemacht haben, gar nicht gegeben! Wir waren nie leidenschaftliche Bühnenmusiker, also konnten wir auf diesen Aspekt verzichten. Und da wir alle Instrumente spielen konnten und auch sonst alles selbst erledigen konnten, war es möglich, als Duo Musik zu komponieren und CD's zu produzieren. Zudem haben wir das Glück, dass auch nur wir beiden den Sound und Stil von Scapegoat prägen: Das Schlagzeug, die Gitarren, die Stimmen, die Soli, sogar das Klavier. Man hört sofort, das sind Scapegoat. Kein anderer Musiker wird dabei vom Hörer vermisst. Und beim Songwriting haben wir unsere Routine: Erstmal spielen wir zu zweit die Songs mit Drums, Gitarre bzw. Keyboards und Gesang, so dass alle Grundbausteine da sind. Die Arrangements für Bass, Keyboards, Gitarrensoli, usw. brauchen wir noch nicht vor Beginn der Aufnahmen. Die entwickeln wir dann während der Produktion.


F: Wie wichtig ist Euch Eure Unabhängigkeit?  -  A: Sehr wichtig! Da wir wissen, dass wir uns eigentlich nur auf uns selbst verlassen können und da wir in der Vergangenheit oft um dieses und jenes betteln mussten, haben wir seit einiger Zeit alles in eigener Hand: Studio, Homepage, Coverdesign, Geräte, usw. Auch innerhalb der Band werden wir uns niemals von einem Bandmitglied abhängig machen. Wir müssen als "Kapitäne" jederzeit die Kontrolle über unser Schiff behalten. Auch musikalisch sind wir "independent". Uns interessiert der Musikgeschmack der breiten Masse nicht im geringsten. Wir machen Musik, die uns gefällt und basta! Selbstverständlich sind wir trotzdem überzeugt, dass unsere Musik und Texte vielen Hörern gefallen können. Eine Plattenfirma, ein Produzent oder Manager, die uns Vorschriften machen wollen, haben wir zum Glück nicht nötig. Wir haben 17 Jahre lang mit knapp 140 Songs auf 11 Alben als Hobby-Musiker im Grunde Unglaubliches geleistet, da reißen wir uns jetzt kein Bein mehr aus.


F: Habt Ihr nie von einer Musik-Karriere geträumt?  -  A: Selbstverständlich, aber nicht um jeden Preis. Außerdem fingen wir 1993 einfach zur falschen Zeit an. Aufgewachsen mit der Musik der Achtziger wollten wir ursprünglich Heavy Metal machen, doch Metal war in den Neunzigern plötzlich out. Stattdessen gab's Grunge, Alternative, Techno, Gothic, Industrial, Rap, Hip Hop, New Punk, Nu Metal, Death Metal, usw. Hat uns alles nicht interessiert. Wenn, dann hätte es mit der Formation von '96 bis '98 klappen können. Wir waren eine verschworene Gang, alle in den Zwanzigern. Wären wir so zusammengeblieben, wer weiß... Aber es war auch damals schon unmöglich, im deutschen Musikbusiness Fuß zu fassen, wo es vor arroganten Wichtigtuern nur so wimmelt. Außerdem kann man dann nicht in Surheim wohnen, sondern muss mindestens nach Köln, Berlin, München oder Hamburg. Das ganze Ersparte in eine ungewisse Zukunft investieren, den Beruf aufgeben. Wir sind zwar weiterhin ständig bestrebt, bekannter zu werden und unserer Musik möglichst überall Gehör zu verschaffen. Aber mit Mitte / Ende 30 und nach 11 Alben ist natürlich keine Karriere mehr möglich. Ist uns auch recht so, denn wir sind Musiker, die einfach nur gute Musik machen wollen und die nebenbei auch gerne ihren "Brotberuf" ausüben.


F: Könnt Ihr noch alle Eure Songs spielen?  -  A: Wir haben viele noch drauf. Ein paar Stücke müssen wir wieder auffrischen. Die meisten Songs mit Gitarre und Drums klappen noch, auch ein paar ganz alte. Es ist manchmal schon erstaunlich, wie schnell bestimmte Songs wieder wie von selbst laufen. Bei Songs, die mit Keyboards oder Piano zu spielen sind, wird es etwas schwerer, alle Parts wieder in Erinnerung zu rufen, da wir sie bei Proben normalerweise nicht spielen. Live bevorzuge ich immer noch die Gitarre, weil ich sie intuitiv beherrsche und leichter dazu singen kann.


F: Worauf seid Ihr besonders stolz?  -  A: Zunächst auf unsere Alben, die wir aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln produziert haben. Im Laufe der Jahre gelang es uns, immer vorzeigbarere Produktionen abzuliefern. Es war natürlich auch immer eine große Willensleistung verbunden mit enormer Zielstrebigkeit. Man muss ja jedesmal einige Monate auf viel freizeit verzichten. Wir mussten uns immer alles erkämpfen, hatten nie Förderer oder eine große Gefolgschaft. Bei einer Teenie-Punkband zum Beispiel kommt oft die halbe Schule zu Konzerten. Da wir eher zurückgezogen leben, kennen und mögen uns natürlich auch nur ein paar wenige Leute. Durch das Internet konnten wir in den letzten Jahren unserer Musik weltweit Gehör verschaffen und freuen uns über positive Resonanzen von Hörern auf der ganzen Welt. Leider vermissten wir jedoch oft die moralische Unterstützung der Familie, des Bekanntenkreises oder der regionalen Musik- und Medienlandschaft. Im Grunde waren wir immer Underdogs, die sich immer gegen Widerstände durchsetzen mussten. Dadurch wurden wir allerdings selbstbewusster und stärker.


F: Was macht Ihr nun, nachdem die letzte Album-Produktion fertig ist?  -  A: Wir lassen es erstmal etwas ruhiger angehen, proben einige ältere Stücke mit dem Ziel, ein Live-Programm zu erstellen. Allmählich werden auch wieder neue Songideen entstehen. Dazu gibt es noch ein paar Projekte, die wir anpacken wollen: Videoclips zu einigen neuen Songs und die Überarbeitung der Alben "Antagonism", "Soulitude", "Beggar 4 Love" und "More than meets the Eye". Es wäre schön, wieder das eine oder andere Konzert zu spielen, entweder zu zweit oder mit neuen Bandmitgliedern, wer weiß. Wir lassen das gelassen auf uns zukommen.


F: Wird es denn noch neue Musik geben?  -  A: Theoretisch wird es immer neue Musik von uns geben, aber die Motivation und Überwindung, eine anstrengende Produktion zu beginnen, wird immer schwieriger. Dass wir schon so viel gemacht haben, macht es gleichzeitig schwerer und leichter: Schwerer, weil man als Komponist schon jede Menge "kreatives Pulver" verschossen hat, leichter, weil man mit dem Geleisteten im Rücken unbeschwert an neue Ideen gehen kann und immer wieder neue musikalische Wege beschreiten möchte. Unser neues, mittlerweile elftes Album wird von einigen Leuten als unser bisher bestes bezeichnet. Eigentlich unglaublich. Auch wenn wir selbst es jedes Mal nicht für möglich halten, kommt doch immer wieder richtig gute neue Musik zustande. Da wird schon noch einiges kommen...


 


TEIL 2: DAS NEUE ALBUM "VICTIMS OF OURSELVES"


Frage: Euer neues Album ist fertig. Seid Ihr damit zufrieden?    Antwort: Wir denken, es ist gut gelungen. Es war das erste Mal mit neuer Technik, die wir im Wesentlichen für unsere Zwecke nutzen konnten. Einige der Songs sind vielleicht sogar besser gelungen, als wir es vorher erwartet hatten. Soundtechnisch gab es einen deutlichen Schritt nach vorne. Wir wussten vorher nicht, ob "Victims of ourselves" mit den drei besten Alben bisher ("Ambitions", "Twist" und "Nonconformity") mithalten kann. Jetzt sind wir überzeugt, es gehört zu unseren besten. Trotzdem können wir in Zukunft sicher noch ein paar Prozent mehr herausholen. Deshalb gilt wie immer: Zufrieden, ja, 100-prozentig zufrieden, nein. Wir sind halt Perfektionisten. Sonst könnten wir ja aufhören, wenn es nicht mehr besser ginge...


F: Wie entstand der Albumtitel und gibt es einen konzeptionellen Zusammenhang zwischen den Songs?   -  A: Diesmal war der Titel eigentlich schon im Vorfeld klar, weil viele Texte zu diesem Thema passten. So konnten wir Texte, die später dazukamen, auf den Albumtitel hin ausrichten. Ich, du, wir alle sind in gewisser Weise Opfer unserer selbst, sei es durch unsere eigene Psyche, weil wir mit uns selbst nicht im Reinen sind, weil wir den sieben "Todsünden" nicht widerstehen können, weil wir uns alles gefallen lassen, wir uns auf gnadenlose Wettkämpfe einlassen, wir unvorsichtig wirtschaften, wir uns in unserer Überflussgesellschaft die Qual der Wahl auferlegen und weil die Menschheit sich dazu auch noch den Planeten, auf dem sie lebt, selbst zerstört. Das alles und mehr wird auf dem Album thematisiert. Es ist also ein "halbes" Konzeptalbum. Zwar keine zusammenhängende Geschichte wie bei "The Wall" oder "Tommy", aber ein thematischer roter Faden.


F: Es gab einige Neuerungen im Vergleich zu Euren letzten Produktionen. Welche?  -  A: Erstmal die Technik mit Apple-Computer und Logic Software, in die wir uns während der Produktion einarbeiten mussten. Wir nahmen beliebig viele Spuren auf, alleine acht für das Schlagzeug! Wir konnten alle Spuren individuell mit Effekten bearbeiten. Erstmals arbeiteten wir auch mit MIDI. Es gab diesmal neben der Hauptstimme manchmal drei oder vier Backing-Stimmen. Die Songs waren mit ca. vier Minuten kürzer als sonst, worauf wir richtig stolz sind, denn wir sind es sonst gewohnt, ausführlicher zu arrangieren. Auch in der Arbeitsweise gab es ein paar Änderungen, z.B. nahmen wir die Pilotspuren schon vorher auf, so dass Peter das Schlagzeug zur bereits aufgenommenen Gitarren- bzw. Keyboardtracks spielen konnte. Auch das Coverdesign entstand vor dem Ausdruck komplett am Computer. Dabei waren gleich drei Fotobearbeitungsprogramme im Einsatz.


F: Wie beschreibt Ihr den Sound und den Mix?  A: Soundmäßig konnten wir sicher wieder einen deutlichen Fortschritt machen, denn die neue Technik gab uns mehr Möglichkeiten, den Sound zu "veredeln". Trotzdem ist es wichtig, nicht zu "clean" zu werden, denn es handelt sich um ein Rockalbum mit handgespielten Instrumenten. Seit unserem ersten Album konnten wir uns jedesmal soundtechnisch verbessern und so wird es auch in Zukunft noch sein, wenn wir noch mehr Erfahrung mit Logic haben. Das Ziel ist dabei, immer näher an richtig gute Top-Produktionen zu kommen und das mit unserem eigenen Studio-Equipment und unserem Handwerk als Producer. Es motiviert uns, wenn mittlerweile Stimmen kommen, die davon sprechen, dass sich unsere Aufnahmen nicht anders anhören als die von namhaften, bekannten Bands, die natürlich mit erfahrenen Produzenten in Top-Studios arbeiten. Der Mix ist nun noch ausgewogener mit deutlicheren Drums und Vocals, dazu einem tollen Stereo-Eindruck durch sich ergänzende Gitarren und Keyboards links und rechts.


F: Ihr habt 18 Stücke aufgenommen, aber nur 17 sind auf der CD. Welcher Titel ist nicht dabei und warum dieser?  -  A: Wir mussten einen Song weglassen, da wir mit der Gesamtlänge nur etwa bis 75 Minuten gehen wollen. Viele Bands machen ja immer noch CD's mit einer Spielzeit von nur 40 bis 50 Minuten. Bei uns gibt es regelmäßig über 70 Minuten, was zu LP-Zeiten jeweils ein Doppelalbum wäre. Der Song "Original Trust" ist diesmal nicht dabei und kommt dafür auf das nächste Album. Wir mögen den Song zwar und finden, dass er wirklich gut gelungen ist, aber erstens wollten wir nicht zu viele Balladen drauf haben und zweitens passt er textlich gut zu einem neuen thematischen Konzept, das ich bereits im Hinterkopf habe.


F: Werdet Ihr Videos zu den Songs produzieren?   -  A: Ja, auf jeden Fall. So viele wie möglich. Wir werden in den nächsten Monaten einiges filmen und dann sehen, was zu bestimmten Songs passt. Dazu werden die Texte eingeblendet. Ich habe immer wieder festgestellt, dass unsere Musik in Verbindung mit bewegten Bildern sehr stimmungsvoll wirkt und dadurch aufgewertet wird. Wenn wir sehr fleißig sind, könnte es sogar eine komplette Albumversion mit Videos zu allen Songs geben, eine Art Multimedia-Album. Erstmal haben wir einen Präsentationsclip produziert, in dem alle Songs kurz gefeaturet werden und der bereits auf YouTube zu sehen ist. (siehe Link unten)


F: Habt Ihr schon Reaktionen auf das Album?  -  A: Ja, es wurden schon einige Exemplare verkauft und es gefällt den Hörern sehr gut. Das Cover macht mächtig Eindruck, die Texte werden wie immer sehr geschätzt und Titel wie "Running out of Heroes", "Boys will be Boys", "Source of all Evil" oder "Earth Burning" wurden schon als Favoriten genannt. Auch im Internet gab es schon erste positive Resonanzen. Wir selbst haben natürlich überhaupt keinen objektiven Eindruck mehr von den Songs, nachdem wir sie unzählige Male gehört haben und sie verständlicherweise erstmal nicht mehr hören können.


F: Wann und wie entstanden die Songs?  -  A: Zwischen Mitte 2007 und Mitte 2009, also in der Zeit, als wir als Trio vor allem für Live-Auftritte probten und viel Promotion im Internet betrieben haben. Der kreative Prozess war daher nicht so fokussiert wie früher, sondern eher weitläufig. Wir schoben den Aufnahmebeginn immer weiter vor uns her, weil wir uns auf Auftritte konzentrierten und weil wir Zeit brauchten, uns für das richtige Studio-Equipment zu entscheiden. Uns wurde außerdem immer klarer, dass eine neue Scapegoat-Produktion eigentlich erst wieder funktionieren würde, wenn wir wieder zu zweit waren. Trotzdem entstanden im Laufe der Zeit immer wieder neue Titel. Die ersten sollten eventuell schon auf "Second Nature" erscheinen, danach gab es Songs, die zu dritt als Band entwickelt wurden und schließlich Songs, die im Frühjahr 2009 dazukamen, als Peter und ich uns bereits darauf einrichteten, wie vor 2007 wieder zu zweit zu komponieren und produzieren.


F: Wie werdet Ihr das Album vermarkten bzw. vertreiben?   -  A: Zunächst einmal beginnen wir im privaten Umfeld und über unsere Homepage, sowohl die CD als Gesamtprodukt, als auch einzelne Songs, die wir bei Nachfrage per E-Mail zusenden. Danach werden wir sehen, inwieweit man mit einer Platten- oder Vertriebsfirma zusammenarbeiten kann. Wir haben bereits interessante Angebote auf dem Tisch, z.B. auch für einen Vertrieb des Albums, der sich an der Nachfrage orientiert, so dass wir keine größere Auflage finanzieren müssen. Wir sind, was den kommerziellen Erfolg betrifft, realistisch. Irgendwelche Hirngespinnste von wegen "groß rauskommen" und "tausende von Alben verkaufen" gibt es bei uns nicht. Wir freuen uns über jeden, der sich für unsere Musik interessiert und dem sie auch einen angemessenen Betrag wert ist. Aber wir sind ja zum Glück nicht davon abhängig, besonders viel zu verkaufen. Diesen Stress wollen wir auch gar nicht haben. Erst einmal ist es für uns sehr gut, durch das Internet unserer Musik weltweit Gehör verschaffen zu können.


F: Macht zum Schluss nochmal Werbung für "Victims of ourselves"?   -  A: 17 Songs und 75 Minuten vielseitige Rockmusik mit interessanten Texten, eingängige Refrains, coole Schlagzeug-Grooves, schöne Intros, gefühlvolle Gitarrensoli. Scapegoat Musik, wie man sie kennt. Die Songs sind zwar wieder etwas anders als auf den vorherigen Alben, aber - wie bisher alle bestätigt haben - unverwechselbar und typisch Scapegoat. Mit dem Album kann eigentlich jeder warm werden, außer er steht nur auf Volksmusik oder Death Metal. Für jeden Geschmack ist etwas dabei und wenn jemandem zwei, drei Titel nicht gefallen, hat er immer noch genug andere Songs zur Auswahl. "Victims of ourselves" ist der kreative Abschluss einer Ära als Trio von 2007-2009, in der wir wieder live spielten, aber in der wir auch teils zu zweit, teils zu dritt richtig gute Songs entwickelten. Man merkt den leichten Stilwandel (u.a. viel E-Piano), der aus dieser Bandkonstellation heraus entstand, gleichzeitig aber bestätigt das Album einmal mehr die Eigenständigkeit unserer Musik, die mittlerweile einen gewissen Wiedererkennungswert hat, egal, wie der Song gerade stilistisch angelegt ist. Eigentlich wollten wir als 3-Mann-Band gemeinsam diese Auswahl an Songs arrangieren und produzieren, aber letztlich kam es eben doch wieder anders als erwartet. Also arbeiteten wir in bewährter Form zu zweit an dem Album. Nur so konnte das ganze Unternehmen letztlich auch gelingen. Es war lange, verdammt harte Arbeit, deshalb sind wir nun sehr stolz auf das Erreichte. Die Musik und die Texte kommen beim Publikum bereits sehr gut an. Macht Euch selbst ein Bild und hört rein:

Video: Das neue Album VICTIMS OF OURSELVES


TEIL 3: SCAPEGOAT LIVE


Frage: Ihr habt letztes Jahr nach Eurem Live-Comeback 2008 wieder ein paar Auftritte gehabt. Wie war es?   -   Antwort: Für uns war es toll, wieder das Selbstverständnis einer Liveband zu erlangen. Wir versuchten lange Zeit, interessante Gigs zu organisieren. Als wir eigentlich schon an die nächste Album-Produktion gehen wollten, bekamen wir Anfang Mai das Angebot, Ende Juni im Rockhouse Salzburg aufzutreten. Zusätzlich planten wir weitere Auftritte in Hallein, St. Johann und Golling, um wieder richtig in den Live-Betrieb zu kommen. Auch wenn St. Johann nichts wurde, spielten wir eine kleine "Tour" von Ende Mai bis Anfang Juli. Dabei hielten wir das Live-Programm konstant, um sicher zu werden. Der Auftritt im Rockhouse, wo wir 1998 schon einmal auftraten, war natürlich der Höhepunkt, da wir uns auf einer größeren Bühne mit tollem Sound und feiner Lightshow so richtig in Szene setzen konnten. Selbstverständlich haben wir das Ganze auch durch zwei Video-Aufnahmen und etlichen coolen Fotos festgehalten.


F: Wie habt Ihr das Live-Programm zusammengestellt, bei so vielen Songs zur Auswahl?   -   A: Wir konzentrierten uns auf die Songs der jüngeren Alben wie "Starflight to Infinity" oder "Prime Motion", hatten aber auch ältere Stücke wie "Colder than Ice" oder "Virtual Illusion" im Set. Wir nahmen vor allem Songs ins Programm, die wir zu dritt gut rüberbringen konnten und die wir schon sehr gut beherrscht hatten. Es ging also nicht um ein "Best of"-Programm, sondern um Stücke, die uns in dieser Formation einfach gut lagen.


F: Ihr seid nun wieder zu zweit. Werdet Ihr nun nicht mehr live spielen?   -   A: Wir haben letztes Jahr insbesondere zum Rockhouse-Auftritt alle Leute, die wir kennen, eingeladen. Die Gelegenheit, uns in diesem Rahmen überhaupt noch einmal live zu erleben, war also für alle da. Es ist aber davon auszugehen, dass wir, da wir nun schon mal wieder "Live-Blut" geleckt haben, auch in Zukunft wieder auftreten. Möglicherweise mit neuer Bandformation oder sogar auch als Duo. Wie das aussieht, wird sich in der Zeit nach den Aufnahmen entwickeln. Vielleicht unplugged im kleinen Rahmen. Es gibt ja jede Menge Lokale, in denen "leisere" und kleinere Gigs leichter möglich sind als große Rockkonzerte. Man muss das so sehen: Wir haben jede Menge Songs zur Auswahl für jede Art von Gig, wir könnten mit unseren Titeln jederzeit Unplugged-, Rock- oder sogar Metal-Gigs spielen. Und wir haben vier gesunde Hände und singen beide. Alles ist möglich.


F: Welche Rolle spielen Konzerte für Euch?   -   A: Auf der Bühne live zu spielen gehört natürlich für jeden Rockmusiker dazu, wir haben jetzt auch wieder mehr Bock darauf als vor einigen Jahren noch. Aber als Musikschaffende, die vor allem kreativ arbeiten, sind Konzerte eher eine nette Abwechslung zum Komponieren und Produzieren. In den letzten Jahren machte es uns aber auch unabhängig von Konzertauftritten viel Freude, als Band zusammen zu spielen. Jeder ist motiviert, den bestmöglichen Beitrag zum Song zu machen. Es ist immer wieder faszinierend, wie bestimmte Songs nur deshalb erklingen, weil ein paar gewisse Leute zu ihren Instrumenten greifen und spielen. Einfach magisch.


F: Was machte Scapegoat live in den letzten Jahren speziell aus?   -   A: Dass keiner Bassgitarre spielte! Nein, es war natürlich ein Kompromiss, der aber funktionierte, da Bass und Keyboards dabei waren, so dass zwar nicht alles, aber viel von unseren Songs live spielen konnten. Ich konnte sogar einige Gitarrensoli spielen, was mir immer mehr Spaß macht. Da waren drei Musiker, einer am Schlagzeug, einer an der Gitarre und einer am Keyboard, die auch noch alle drei sangen. Für eine so kleine Besetzung machten wir einen ordentlichen Sound. Diejenigen, die uns in den letzten Jahren live sahen, waren schon fasziniert, wie wir das hinbekommen haben. Die Resonanzen waren sehr positiv und ermutigend. Wir selbst denken auch, dass wir eine richtig gut eingespielte Einheit waren, sogar besser als in den früheren Besetzungen. Das ist nun aber schon wieder Geschichte, aber so ist halt das Leben.


F: Habt Ihr die letzten Auftritte aufgenommen? Wird es irgendwann eine Live-DVD geben?   -   A: Fast alle Gigs gibt es auch als Video. Wir wollten eigentlich mal eine "historische" Live-DVD mit den Gigs der Neunziger und eine aktuelle zusammenstellen. Ich denke, es wird mal eine große Scapegoat Live-DVD geben mit Konzerten und Songs aus verschiedenen Epochen und den entsprechenden Line-Ups.


F: Wenn Ihr Scapegoat live in den Neunzigern und als Trio zuletzt vergleicht, gibt es große Unterschiede?  -   A: Ja, jetzt sind wir alte Säcke mit weniger Haaren (haha). Wir traten zuletzt selbstsicherer, cooler und gediegener auf als früher, als wir noch eher eine Metal-Band darstellten. Peter singt seit Ende der Neunziger auch live mit und ich spiele wie gesagt live Gitarrensoli als einziger Gitarrist. Früher machte das der andere Gitarrist, denn ich musste schließlich immer schon singen und spielen. Und Keyboards waren ja spätestens ab 1998, als Claus dabei war, bei uns etabliert. Auch wenn wir im Studio seit damals etwas "softer" geworden sind, so sind im Live-Programm auch heute noch hauptsächlich Songs, die ordentlich rocken. Peter und ich sind auch noch in einem Alter, wo man noch richtig Gas geben kann.


F: Wie könnten künftige Auftritte in neuer Besetzung aussehen?   -   A: Das hängt davon ab, in welcher Formation wir spielen. Ein Bassist würde schon mal reichen, dann könnten wir wie Rush als Powertrio agieren und eventuell abwechselnd Keyboards zusätzlich mit einsetzen. Wir machen uns da keinen Stress. Im Fußball würde man sagen, die Taktik hängt vom Spielermaterial ab. Auf den Alben bekommen unsere Songs alles, was sie brauchen, und live das, was wir handwerklich umsetzen können. Da die meisten Stücke eigentlich "Singer-Songwriter"-Stücke sind, ginge alles: von solo mit Akustikgitarre bis zum großen Orchester. Die Songauswahl wird sich ebenfalls ändern, denn es hängt immer davon ab, welche Songs in einer bestimmten Konstellation am besten funktionieren. In den letzten Jahren hatten wir einen immer gleichen Songfundus. Deshalb wäre es interessant, mal wieder anderen Titeln zu ihrem Recht zu verhelfen, bevorzugt aber eher die aktuelleren und natürlich Stücke aus dem neuen Album! Aber das wird sich zeigen, wir lassen uns überraschen.